EuGH – Finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruchs: Arbeitgeber in der Hinweispflicht

Häufig ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, den gesamten Urlaub vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Dies kann deshalb sein, weil während der Kündigungsfrist der Nachfolger eingearbeitet werden soll, oder aber auch zu viele Aufträge vorhanden sind. Dann lehnt der Arbeitgeber regelmäßig den Urlaubsantrag ab. Für diese Fälle ist allgemeinhin anerkannt, dass der Urlaub mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziell abzugelten ist. Fraglich ist jedoch, wie solche Fälle zu handhaben sind, in denen der Arbeitnehmer in der Lage dazu gewesen wäre, Urlaub zu nehmen, dies aber nicht verlangt oder ihn bewusst nicht nimmt, um finanzielle Abgeltung zu erlangen…

Bisherige Rechtslage – nur dann finanzielle Abgeltung, wenn Urlaub vom Arbeitnehmer verlangt wurde

Hier ging das Bundesarbeitsgericht bislang davon aus, dass der Urlaub verlangt werden muss, sodass die Voraussetzungen für eine finanzielle Abgeltung vorliegen (BAG, Urteil vom 15. September 2011 – 8 AZR 846/09).

Ablehnung durch das Kammergericht Berlin und Max-Planck-Gesellschaft

Ein Rechtsreferendar aus Berlin forderte Urlaubsabgeltung von dem Kammergericht Berlin, welches in einem Ausgangsverfahren abgelehnt wurde. Begründung war, dass der Referendar sich aus freien Stücken dazu entschieden habe, keinen Urlaub zu nehmen. Er hätte keinen Urlaubsantrag gestellt und daran hätte ihn auch niemand gehindert.
Ähnlich verhielt es sich bei einem Fall, bei welchem es darum ging, ob ein Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft seinen restlichen noch bestehenden Urlaub finanziell abgegolten kriegen kann. Dieser hatte 53 Urlaubstage angesammelt, von welchen er nach ausdrücklicher Aufforderung durch seinen Arbeitgeber zwei Tage Urlaub nahm und die restlichen 51 Tage abgegolten haben wollte. Die Max-Planck-Gesellschaft lehnte die finanzielle Urlaubsabgeltung ab.
Sowohl der Rechtsreferendar, als auch der Wissenschaftler zogen vor Gericht. Das Münchener Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht sprachen sich im Verfahren des Wissenschaftlers für die Urlaubsabgeltung aus, das Berliner Verwaltungsgericht wolle dem Referendar jedoch keine finanzielle Abgeltung zusprechen.
Das Bundesarbeitsgericht und das Oberverwaltungsgericht setzten die Verfahren aus, um den EuGH zu konsultieren, ob es mit dem europäischen Recht vereinbar sei, wenn der gesetzliche Mindesturlaub entschädigungslos verfällt.

EuGH – Ein fehlender Urlaubsantrag lässt die Urlaubsabgeltung nicht verfallen

Nach Ansicht des EuGHs darf der Arbeitnehmer den Anspruch nicht allein deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat (Urteile in den Rechtssachen C-619/16 und C-684-16). Der Arbeitnehmer sei im Verhältnis zum Arbeitgeber die schwächere Partei, welche aus Angst vor Repressionen davon abgehalten werden könnte den Urlaubsanspruch geltend zu machen. Der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer explizit dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen und dies auch beweisen können.
Der Urlaubanspruch würde weiterhin aber auch dem Gesundheitsschutz dienen, die Möglichkeit eines finanziellen Ausgleichs dürfe nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer auf den Urlaub verzichtet, um daraus resultierend seine Vergütung aufzubessern. Somit ist eine finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruches immer dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer freiwillig und bewusst auf seinen Jahresurlaub verzichtet hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre diesen zu nehmen. Allerdings würde im Streitfall genau das von dem Arbeitgeber bewiesen werden müssen. Dem Arbeitgeber wäre der Nachweis, dass der Arbeitnehmer freiwillig und in voller Kenntnis der Sachlage auf seinen Urlaub verzichtet hat kein Problem, wohingegen es bei dem Arbeitnehmer bei einem solchen Nachweis mögliche negative Folgen nach sich ziehen könnte.

Handlungsoptionen für den Arbeitgeber, um die finanzielle Abgeltung zu vermeiden

Fraglich ist nun allerdings, welche Handlungsoptionen dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Urlaub nicht ausbezahlen zu müssen. Arbeitgeber müssen aktiv auf die Arbeitnehmer zugehen und sie konkret auffordern ihren Urlaub zu nehmen. Welche genauen Anforderungen an die Information der Arbeitnehmer zu stellen sind, wird sich jedoch erst dann zeigen, wenn die Umsetzung des EuGH-Urteils durch die nationale Rechtsprechung erfolgt. Allerdings kann schon gesagt sein, dass es nicht ausreichend sein wird, dem Arbeitnehmer nur beispielsweise im Arbeitsvertrag auf den Verfall von Urlaubsansprüchen hinzuweisen. Es ist den Arbeitgebern bis auf weiters zu empfehlen, solchen Arbeitnehmern, die ihren Urlaub nicht von sich aus beantragen, konkret dahingehend aufzufordern, ihren Urlaub zu nehmen und auf den sonstigen drohenden Verfall der Urlaubansprüche hinzuweisen. Dies sollte zudem auch sorgfältig dokumentiert werden.

Was wir für Sie tun können

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