Insolvenz der Germania-Gesellschaften – so können sich Mitarbeiter im Fall der Kündigung wehren
Der Schock über die Insolvenz der Air Berlin ist kaum überwunden, da erhält man über die Presse am heutigen Morgen die Information, dass eine weitere namenhafte Fluggesellschaft zahlungsunfähig ist und beim Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag eingereicht hat. Nach aktuellen Informationen stellte die Germania bereits vergangene Nacht ihren Flugbetrieb ein. Also nichts geht mehr an den 18 Standorten des Unternehmens. Allein die Einstellung des Flugverkehrs durch Germania legt den Verdacht nahe, dass über kurz oder lang Kündigungen gegenüber allen 1.100 Mitarbeitern durch den insolventen Arbeitgeber oder den Insolvenzverwalter ausgesprochen werden. Wie verhalte ich mich als Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber insolvent ist und ich die Kündigung erhalte? Welche (insolvenzrechtlichen) Besonderheiten habe ich in der Situation zu beachten und wie setze ich meine Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch? Der nachfolgende Artikel gibt einen ersten kurzen Überblick….
Arbeitnehmerschutzvorschriften gelten auch in der Insolvenz des Arbeitgebers
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Insolvenz eines Arbeitgebers Ihre Arbeitnehmerrechte nicht ausschaltet. So müssen in einem vorläufigen Insolvenzverfahren und auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die arbeitsrechtlichen Vorschriften berücksichtigt werden.
Demnach genießen Mitarbeiter, die länger als sechs Monate bei Germania beschäftigt sind, Kündigungsschutz. Das heißt, das Beschäftigungsverhältnis besteht auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort, damit einhergehend ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Es steht dem Arbeitgeber frei, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Dabei stellt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens selbst aber kein Kündigungsgrund dar. Auch wird das Arbeitsverhältnis durch eine Insolvenz nicht automatisch aufgelöst.
Über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung entscheiden letztlich die Gerichte. Hier gilt es für Sie zu berücksichtigen, wollen Sie sich gegen die Kündigung Ihres insolventen Arbeitgebers wehren, müssen Sie rechtzeitig Kündigungsschutzklage einreichen. Sollen die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten durch den Arbeitgeber bzw. den Insolvenzverwalter beendet werden, muss er die allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen beachten. So müssen neben dem Schriftformerfordernis insbesondere die Vorschriften des Kündigungs-schutzgesetzes berücksichtigt werden.
Besondere insolvenzrechtliche Bestimmungen greifen gegenwärtig noch nicht. Sollte jedoch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Germania Gesellschaften eröffnet werden, verringert sich bei Kündigungen die Kündigungsfrist – ungeachtet längerer arbeitsvertraglicher oder tarifrechtlicher Kündigungsfristen – wegen § 113 Insolvenzordnung für alle Mitarbeiter auf drei Monate. Hat der Arbeitnehmer eine längere Kündigungsfrist, hat der Insolvenzverwalter ihm aber den durch die vorzeitige Kündigung entstandenen Schaden als Insolvenzforderung zu ersetzen.
Wer die Insolvenz von Air Berlin verfolgte, wird wissen, dass in einer Insolvenz die Kündigungen häufig auf betriebsbedingte Gründe wie die Betriebsstilllegung oder den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund schlechter Auftragslage gestützt werden. Dies hat der Insolvenzverwalter zu beweisen. Das Gericht entscheidet, ob das, was der Insolvenzverwalter vorbringt, ausreicht, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Das passiert aber nur, wenn der betroffene Arbeitnehmer auch rechtzeitig Kündigungsschutzklage eingereicht hat. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob die Kündigungen notwendig sind, insbesondere keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten mehr bestehen. Bei einer vollständigen Stilllegung eines Unternehmens könnte das Gericht in Erwägung ziehen, dass die Kündigungen gerechtfertigt sind.
Wehre ich mich gegen eine Kündigung?
Gekündigte Mitarbeiter können sich auch im Insolvenzverfahren gegen eine Kündigung nur mittels Kündigungsschutzklage wehren. Die Kündigungsschutzklage ist beim zuständigen Arbeitsgericht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung einzureichen. Verpasst der Arbeitnehmer diese Frist, ist es zu spät.
Als erstes sollte das Kündigungsschreiben unverzüglich nach Erhalt auf etwaige formelle Mängel überprüft werden. Ist die Kündigung zum Beispiel durch eine nicht zur Kündigung berechtigte Person unterzeichnet, ist die Kündigung sofort schriftlich zurückzuweisen.
Dann ist zu berücksichtigen, dass auch in einem Insolvenzverfahren eine Sozialauswahl durchgeführt werden muss. Faktoren wie Alter, Betriebszugehörigkeit oder Unterhaltspflichten sind relevant, um zu entscheiden, wer die Kündigung erhält. Der insolvente Arbeitgeber bzw. der Insolvenzverwalter hat zu beweisen, dass er eine ordnungsgemäße Sozialauswahl vorgenommen hat. Sollte jedoch eine vollständige und endgültige Stilllegung des Unternehmens Germania erfolgen und die betriebsbedingte Kündigung aller Arbeitnehmer damit einhergehen, so muss eine Sozialauswahl nicht vorgenommen werden.
Vorteile der Kündigungsschutzklage
Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wird über den Gehaltsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers, den der Insolvenzverwalter noch zu leisten hat, entschieden. Es kann ferner eine angemessene Abfindung erstritten werden. Dann sind Urlaubsabgeltung, Überstundenvergütung, Gratifikationen oder auch ein Arbeitszeugnis in einem Kündigungsschutzprozess einzuklagen. Für Arbeitnehmer in Elternzeit oder mit Schwerbehinderungen gelten erweiterte Kündigungsvoraussetzungen, bei deren Nichteinhaltung die Kündigung unwirksam sein dürfte. All dies ist zunächst schwer zu überblicken. Eine Kündigungsschutzklage bringt Klarheit und verschafft dem Arbeitnehmer einen Titel, an dem der Insolvenzverwalter nicht mehr rütteln kann.
Was ändert sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Germania Gesellschaften?
Da es sich bei der Insolvenz der Airline Germania und der Schwestergesellschaften, anders als bei Air Berlin, nicht um eine Eigenverwaltung handelt, tritt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein.
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die nach Insolvenzeröffnung entstehen, sind grundsätzlich Masseverbindlichkeiten. Diese sind gemäß den Regelungen der §§ 53 ff. Insolvenzordnung nach den Kosten des Insolvenzverfahrens und vor den Insolvenzforderungen zu befriedigen. Das bedeutet, der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vollen Gehaltsausgleich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzverwalter der Germania, wenn das Arbeitsverhältnis zu der Zeit nicht bereits beendet war und keine Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde. Dabei bezeichnet die Masseunzulänglichkeit den Umstand, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht oder voraussichtlich nicht ausreichen wird, um neben den Kosten des Insolvenzverfahrens auch die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Dies muss der Insolvenzverwalter aber anzeigen und der Zustand ändert sich häufig im Lauf eines Insolvenzverfahrens, weil Gelder in die Kasse des Insolvenzverwalters gespült werden, die dafür sorgen, dass die Masseverbindlichkeiten gezahlt werden können.
Werden in einem Kündigungsschutzprozess nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Vergleiche geschlossen stellen dies auch Masseforderungen dar, die der Insolvenzverwalter umgehend auszugleichen hat. Das bedeutet, die Forderung ist nicht in die Insolvenztabelle aufzunehmen und der Arbeitnehmer muss sich nicht mit einer kleinen Quote von meistens 3 bis 5 Prozent seiner ursprünglichen Forderung abfinden. Bei Gratifikationen, Sonderzahlungen, Tantiemen, 13. Gehältern oder ähnlichen Leistungen, muss geprüft werden, wann genau diese Ansprüche entstanden sind. Ansprüche auf Urlaubsentgelt sind für die Zeit ab Insolvenzeröffnung Masseforderungen des Arbeitnehmers. Insgesamt hängt die insolvenzrechtliche Einordnung der bestehenden Arbeitnehmeransprüche als Insolvenz- oder Masseforderung wesentlich davon ab, wann diese entstanden sind.
Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht
Abschließend ist festzuhalten, dass eine Kündigungsschutzklage insbesondere sinnvoll ist, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht haben. Sie müssen beachten, dass in der ersten Instanz beim Arbeitsgericht jede Partei die anwaltlichen Kosten selbst trägt und die unterlegene Partei zusätzlich die Gerichtskosten. Wenn der Arbeitnehmer nicht rechtsschutzversichert ist, sollte das Kostenrisiko sorgfältig zu den Erfolgsaussichten abgewogen werden. Auch wäre unter Umständen bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen.
Was wir für Sie tun können
Der vorstehende Artikel ist in Zusammenarbeit mit Rechtsanwältin Nadine Wild (Spezialistin für Insolvenzrecht für Insolvenzrecht) erstellt worden. Die Autoren sind Rechtsanwälte in Bürogemeinschaft und bieten Betroffenen eine persönliche, kostenlose und unverbindliche Ersteinschätzung.